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Europäisches Treffen in Brüssel / Österreichischer Beitrag
19. bis 21. September 2014
Das Evangelium wird
uns frei machen - Populismus und Fremdenfeindlichkeit
Es war vor den Europawahlen, als wir uns
bei einem Treffen der Basisgemeinden im Wiener Raum für das Thema
„Populismus und Fremdenfeindlichkeit entschieden. Leider haben diese
Wahlen in fast allen europäischen Ländern die wachsende Aktualität dieses
Themas bewiesen.
Mehr und mehr Menschen wollen nicht
mehr darangehen, die Wurzeln der auch in unserer Wohlstandsgesellschaft
immer stärker werdenden Ungleichheit und Ungerechtigkeit aufzudecken und
durch solidarisches Handeln zu bekämpfen. Vielmehr lassen sie sich
weismachen, dass sie sicher und geschützt wären, wenn sie sich gegen
alles Fremde abschotten und die Festung Europa dicht machen. Ihren
natürlich verbleibenden Frust lassen sie an allem aus, was anders scheint
als sie selbst.
Die Ergebnisse kennen wir alle – und
sie zeigen sich sowohl in den Strategien von Regierungen und Konzernen,
als auch im Verhalten von Gruppen und Einzelpersonen. „Ich“, „wir“ zuerst
- ist der Gedanke, der fast alle antreibt:
- wenn
Asylverfahren endlos verschleppt werden
- wenn die entwürdigende
Behandlung von Fremden und Asylanten bei Behörden und Ämtern an der
Tagesordnung ist
- wenn
Asylwerbern jahrelang keine bezahlte Arbeit oder geregelte
Ausbildung gestattet wird
- wenn
Polizisten, die Asylsuchende zu Tode prügeln oder schwer verletzen,
sie bei der Abschiebung so brutal behandeln, dass sie es nicht
überleben, dafür nie wirklich ernsthaft zur Rechenschaft gezogen zu
werden
- wenn Roma
und Sinti vertrieben werden – von Campingplätzen, von ihren
Wohnplätzen, sogar aus EU-Ländern, obwohl sie selbst aus EU-Ländern
stammen, durch Mauern von der restlichen Bevölkerung getrennt werden
- wenn
nicht unbeträchtliche Teile der Bevölkerung Verbrechen und
Drogenhandel fast ausschließlich den „Fremden“ anlasten wenn
politische Parteien niedrige Instinkte anstacheln und
fremdenfeindliche Propaganda für ihre Zwecke verwenden
- wenn
Menschen wegen ihrer Religion oder Herkunft auf Wahlplakaten
beleidigt und schwer gedemütigt werden (ohne dass jemand dagegen
einschreitet)
- wenn die
Regierungen bei der geringsten Verschlechterung der Wirtschaftslage
die Mittel der Entwicklungshilfe streichen (Österreich kann das
besonders gut)
- wenn
Islamophobie dazu führt, dass Kopftuchträgerinnen grundlos beleidigt
und von Firmen nicht angestellt werden, oder dass Moschee-Bauten
durch wilde Proteste verhindert werden
- wenn
Bettler verjagt und mit unbarmherziger Verachtung behandelt werden,
wenn Bettelverbote ausgesprochen werden, weil man die Armut nicht
sehen will
- wenn
europäische Binnenländer mit Hinweis auf sichere Drittländer jene
Staaten, in denen die Flüchtlingsmassen ankommen, im Stich lassen
Jede und jeder
von euch könnte diese Liste sicher noch seitenweise fortsetzen.
Es ist ja
nicht schwer zu erkennen, wer von diesen Dingen profitiert:
- Populistische
Gruppen und Parteien, die auf diese Art Wähler gewinnen.
- Die
Mächtigen und Reichen, die froh sind, wenn die Menschen nicht an den
Ursachen ihrer eigenen Probleme interessiert sind, den Status quo
nicht hinterfragen, sondern statt dessen Sündenböcke suchen
- Die
Regierungen profitieren zwar nicht davon, sind aber durch diese
populistischen Strömungen gezwungen, mitzumachen, weil sie fürchten,
sonst Wähler zu verlieren.
Die Frage, die
sich uns nun stellt, ist: warum fühlen sich so viele Menschen in ganz
Europa angezogen von (rechts-) populistischen Ideen?
Zu einem
großen Teil sind es jene, die kein Selbstwertgefühl haben, keine Erfolge
vorweisen können, die sich nicht geschätzt und geachtet fühlen, und meist
auch wenig gebildet sind. Dass diese Menschen jemanden brauchen, auf den
sie herab sehen können, und den sie schlecht behandeln können, ist
einigermaßen logisch. Auch in den amerikanischen Südstaaten sind die
ungebildeten, armen Weißen die ärgsten Rassisten.
Aber sind das
alle?
Ist es euch nicht
auch schon passiert, dass Leute, die recht nett und vernünftig wirken,
die einen guten Job, eine schöne Wohnung und eine nette Familie haben,
die vielleicht jeden Sonntag brav in die Kirche gehen, und die ihr
womöglich für eure Freunde haltet, plötzlich und ganz selbstverständlich
die krassesten fremdenfeindlichen Äußerungen von sich geben? Warum die?
Wovor haben sie Angst? Vorm Teilen, vorm Zu-Kurz-Kommen, vor der
Gerechtigkeit? Was wollen sie schützen?
„Einen Fremden
sollst du nicht ausbeuten. Ihr wisst doch, wie es einem Fremden zumute
ist, denn ihr selbst seid in Ägypten Fremde gewesen. (Ex., 23,9)
Das
Fremdenrecht des Alten Testaments bietet menschwürdige Maßstäbe: Segen,
Toleranz, Solidarität, Freude. Mut und Phantasie sind notwendig, um das
Leitbild einer Einwanderungsgesellschaft zu entwerfen. Der Ruhesegen der
Befreiten wird entstehen, wenn Aufenthalts- und Bleiberechte gesichert
sind. Toleranz wächst, wenn die Forderung nach Anpassung und Integration
aufgegeben und eine Vielfalt von Kulturen anerkannt wird. Solidarität
bewährt sich in Gleichbehandlung und Gleichberechtigung aller im Lande
Lebenden. Unter solchen Bedingungen wird Freude herrschen bei allen.
„Du sollst
einen Ausländer, der vor seinem Herrn bei dir Schutz sucht, nicht ausliefern.
Bei dir soll er wohnen dürfen, in deiner Mitte, an einem Ort, den er sich
in einem
deiner Stadtbereiche auswählt, wo es ihm gefällt. Du sollst ihn nicht
ausbeuten.“ (Dtn. 23, 16f)
Und im Neuen
Testament? Selbst von Jesus ist eine fremdenfeindliche Äußerung
überliefert.
„Jesus … zog
in das Gebiet von Tyrus. … Eine Frau, deren
Tochter von einem unreinen Geist besessen war, hörte von ihm, sie kam
sogleich herbei und fiel ihm zu Füßen. Die Frau, von Geburt
Syrophönizierin, war eine Heidin. Sie bat ihn, aus ihrer Tochter den
Dämon auszutreiben. Da sagte er zu ihr: Lasst zuerst die Kinder satt
werden, denn es ist nicht Recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den
Hunden vorzuwerfen. Sie erwiderte ihm: Ja, du hast Recht, Herr. Aber auch
für die Hunde unter dem Tisch fällt etwas von dem Brot ab, das die Kinder
essen. Er antwortete ihr: Weil du
das gesagt hast, sage ich dir: geh nach Hause, der Dämon hat deine
Tochter verlassen.“ (Mk. 7, 24-29),
aber er war
immerhin lernfähig, und später gibt es genug positive Beispiele, etwa die
Samariterin am Jakobsbrunnen. Den Ausgegrenzten, Ausgestoßenen fühlte er
sich verbunden, für sie ergriff er Partei.
Bei
Fremdenfeindlichkeit geht es letztlich um Menschenfeindlichkeit. Sie
verletzt nicht nur die Würde des Menschen, verhindert menschenwürdiges
Leben und ein Leben in Freiheit für alle, auch für jene, die von Menschenfeindlichkeit
infiziert sind. Letztlich verletzt Xenophobie auch die Würde Gottes,
dessen Repräsentant der Mensch ist.
Vorschläge für
Diskussion in den Gruppen:
- Welche
Gründe gibt es für „nette“ Leute, auf Populisten reinzufallen?
- Wie frei
sind wir und die Gruppen, in denen wir uns bewegen, von Xenophobie
und Vorurteilen?
- Welche
Erfahrungen gibt es im Umgang mit Fremden, mit Fremdenfeindlichkeit
und mit Populismus?
- Was
funktioniert, was wäre übertragbar?
- Zukünftige
Praxis der Basisgemeinden und Kirchen, bzw. Wünsche an sie
- Forderungen
an Gesellschaft und Politik
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Texte vom Gottesdienst.pdf
Grundsatzreferat 3.pdf
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